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27.5.1952: Europäische Verteidigungsgemeinschaft
Soll es wieder deutsche Soldaten geben? Fünf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg entzündet sich an dieser Frage eine heftige Debatte. Viele Städte liegen noch in Trümmern, doch Amerikaner und Briten drängen die junge Bundesrepublik, eine Armee aufzubauen. Sie soll in ein europäisches Bündnis integriert werden.

Die beiden Siegermächte fürchten nach Ausbruch des Koreakrieges, dass die Sowjetunion ihren Einflussbereich erweitern will. Das europäische Bündnis soll einen Angriff auf Westeuropa abwehren. Bundeskanzler Konrad Adenauer befürwortet die deutsche Wiederbewaffnung: "Die Deutschen müssen sich darüber klar sein, dass sie unmöglich erwarten können, dass die Vereinigten Staaten, Kanada und die westeuropäischen Länder, die Opfer, die mit der Schaffung einer solchen Abwehrfront verbunden sind, auf sich nehmen, während Deutschland selbst nichts dazu beiträgt."

Skeptisch gegenüber einem westeuropäischen Bündnis mit deutschen Soldaten sind die Franzosen. Dennoch ist es ihr Ministerpräsident, René Pleven, der Ende Oktober 1950 den Plan für eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft vorlegt. Dazu der Berliner Historiker Michael Lemke: "Als denn der französische Ministerpräsident die Sache verkündete, war das die Flucht nach vorn. Die Initiative ergreifen, um die Sache, die man schon nicht verhindern konnte, wenigstens in den Griff zu kriegen, also zu kontrollieren."

Pleven schlägt eine westeuropäische Armee vor, an der sich Italien, Frankreich, die Beneluxländer und die Bundesrepublik beteiligen sollen. Doch sein Vorschlag hat einen Haken.

Lemke: "Adenauer erkannte das sofort, dass die Westdeutschen in diesem Bündnis nicht gleichberechtigt teilnehmen sollten, sondern sowohl die Führung als auch die Größe der Kontingente für die Westdeutschen von den übrigen also Frankreich kontrolliert werden sollten."

Adenauer gelingt es nach langen Verhandlungen eine deutsche Gleichberechtigung zu erreichen. Zudem sollen die Westdeutschen Souveränität erhalten, wenn sie der Verteidigungsgemeinschaft beitreten. Doch selbst dieses Versprechen hindert Kommunisten, Gewerkschaften, Kirchen und Sozialdemokraten nicht daran, gegen die deutsche Wiederbewaffnung zu protestieren.

Lemke dazu: "Man sagt ja, wären 1950 oder 1951 Wahlen gewesen, hätte Adenauer diese Wahlen unter diesen Thema nicht gewinnen können."

Sein profiliertester Gegner ist der ehemalige Innenminister Gustav Heinemann, der aus Protest gegen Adenauers Rüstungspläne zurückgetreten ist. Die Gegner der Wiederbewaffnung berufen sich auf das Grundgesetz, das eine Verteidigung Deutschlands nur den Besatzungsmächten erlaubt.

Lemke: "Viele sagten: Ja, das vertieft natürlich die deutsche Spaltung, wenn wir als Westdeutsche beitreten einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Ja, das macht die Russen nicht geneigter der Wiedervereinigung zuzustimmen und freien Wahlen."

Adenauer hingegen glaubt, nur ein starkes westeuropäisches Bündnis zwingt die Sowjetunion an den Verhandlungstisch. Am 27. Mai 1952 unterzeichnet sein Außenminister den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Der Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, polemisiert gegen das Bündnis: "Während wir in allen Teilen unserer Republik unermüdlich am friedlichen Aufbau schaffen, ist eine verbrecherische Clique im Westen unserer Heimat im Auftrag der amerikanischen Rüstungsherren dabei, unser deutsches Volk in einen dritten Weltkrieg zu treiben."

Doch die DDR rüstet zu dieser Zeit bereits selbst heimlich auf. Die Parlamente der westeuropäischen Länder ratifizieren nach und nach den Vertrag zur Verteidigungsgemeinschaft, nur die Franzosen nicht. Am 30. August 1954 verweigert das französische Parlament seine Zustimmung endgültig. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist gescheitert.

Lemke: "Der Zusammenbruch des Projekts war sicherlich in erster Linie abträglich der europäischen Einigungsidee, denn das sollte also mehr oder weniger ein Element sein des Dachs der Europäischen Union."

Deutschland gründet trotzdem die Bundeswehr und wird Mitglied der NATO. Der Ostblock reagiert mit dem Aufbau des Warschauer Pakts. Der Kalte Krieg hat begonnen.

Autor: Ralf Geißler
   
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