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25.5.1907: Frauen im finnischen Parlament
Am Morgen des 25. Mai 1907 bot sich den 181 Männern in Finnlands Parlament ein ungewohntes Bild: Zum ersten Mal betraten Frauen die heilige Stätte. 19 weibliche Abgeordnete nahmen an diesem Tag zum ersten Mal ihre Plätze ein.

Dies war nicht nur in Finnland ein Unikum, sondern europaweit. Die finnischen Frauen waren die ersten, die auf Staatsebene das aktive und passive Wahlrecht erlangten - zu ihrer eigenen Verwunderung. So schrieb eine der Abgeordneten später in ihren Memoiren: Sie sei erstaunt, dass sie, als eine unzivilisierte Frau eines unzivilisierten Landes, ein Recht erhalten habe, dass so vielen Frauen in zivilisierteren Ländern noch vorenthalten werde.

"Raus mit den Männern aus dem Landtag", als Claire Waldorf diesen Schlager in Deutschland sang, hatten es die finnischen Frauen schon ein paar Jahre geschafft. Bei der Frage, warum die finnischen Frauen als erste das aktive und passive Wahlrecht erlangten, spielt unter anderem die ungewöhnlich hohe Zahl von berufstätigen Frauen eine Rolle.

In dem kleinen Land mit kaum drei Millionen Einwohnern waren 1907 rund 65 Prozent der Frauen über 15 berufstätig. Die finnische Frauenbewegung hatte in den 1880er Jahren begonnen, die Anfänge wurden getragen von bürgerlichen Intellektuellen - angeregt auch durch die Dramen Strindbergs und Ibsens, die in ihren Stücken die Benachteiligung der Frau thematisierten.

Die Frauenbewegung war zunächst eine Bildungsbewegung. Eine bessere Bildung und Ausbildung für Frauen, freie Berufswahl und Zugang zu Gymnasien und Universitäten, das waren die ersten Forderungen. Bald jedoch schloss sich auch die Forderung nach politischen Rechten an. Nur so, auf dem Weg durch die Politik, glaubten die Frauen ihre Interessen vertreten zu können.

"Raus mit den Männern aus dem Landtag", die Diskussionen um das Wahlrecht für Frauen verliefen in Finnland genauso wie in den anderen europäischen Ländern. Die Gegner des Frauenwahlrechts befürchteten eine Vermännlichung des zarten Geschlechts. Frauen, die sich bilden, arbeiten oder mitbestimmten seien nicht länger weiblich und liebenswert. Wahre Frauen wollten auch gar nicht wählen, nur Mannsweiber verlangten nach solcher Art von Aktivität.

Lange jedoch konnten solche "Argumente" nicht standhalten. Zu offensichtlich wurde, dass "Mann" den Frauen das Recht, ihre Interessen zu vertreten, nicht länger verwehren konnte, ohne gegen den Grundsatz der Gleichheit fundamental zu verstoßen.

"Raus mit den Männern aus dem Landtag", 1906 erließ Finnland als erstes europäisches Land ein Gesetz, dass das aktive und passive Wahlrecht für alle männlichen und weiblichen Bürger über 24 Jahren festschrieb. Im März 1907 fand die erste Wahl mit weiblicher Beteiligung statt, und am 25. Mai 1907 zogen die neunzehn ersten weiblichen Abgeordneten neben ihren männlichen Kollegen ins Parlament ein.

Europaweit dauerte es noch eine ganze Weile bis die anderen Staaten dem Vorbild Finnlands folgten. Die meisten Länder standen den Frauen das Wahlrecht erst 1918 nach dem Ersten Weltkrieg zu. Eines der beiden Schlusslichter bildete ausgerechnet Frankreich. Dort wurden die Frauen erst 1944 an die Wahlurnen gelassen, und als letztes Land in Europa führte die Schweiz 1971 das Frauenwahlrecht ein.

Autorin: Rachel Gessat
   
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