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12.11.1955: Erste Rekruten der Bundeswehr
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"Guten Morgen Soldaten!"
"Guten Morgen Herr Bundeskanzler!"
Kanzler Adenauer begrüßt am 12. November 1955 die ersten Rekruten der Bundeswehr in Andernach: "Soldaten der neuen Streitkräfte! Es ist mir eine Freude, am heutigen Tage zu Ihnen zu sprechen. Nach Überwindung großer Schwierigkeiten sind Sie die ersten Soldaten der neuen deutschen Streitkräfte geworden."

Adenauer spricht von Schwierigkeiten und meint damit den Widerstand in Teilen der Bevölkerung gegen die deutsche Wiederbewaffnung. Seit Anfang der 1950er-Jahre beschäftigt das Thema die Menschen. Eine Pfarrerswitwe sagt damals in einer Umfrage des Süddeutschen Rundfunks: "Wenn man wie ich seinen Mann und seinen einzigen Bruder im Krieg verloren hat und mit seinen drei Kindern mehr oder weniger allein in der Welt steht, will man von Aufrüstung oder dergleichen nichts mehr hören. Bei dem bloßen Gedanken, dass meine beiden heranwachsenden Söhne auch wieder den grauen Rock tragen, möchte ich aufschreien und rufen: "Nein!" Und noch einmal "Nein!" Helfen Sie alle mit, dass wir endlich im Frieden leben und unsere Kinder für ein Leben im Frieden erziehen dürfen."

Als die Alliierten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges am Potsdamer Verhandlungstisch saßen, fassten sie den Beschluss, Deutschland zu entmilitarisieren. Gut fünf Jahre später ist das Makulatur. Der Kalte Krieg hat Europa fest im Griff.

1950 scharen sich Experten um den späteren Verteidigungsminister Theodor Blank. Die sogenannte "Kommission Blank" soll über eine mögliche Wiederbewaffnung nachdenken. Ein Jahr später wird der Bundesgrenzschutz geboren: das Gegenstück zur Kasernierten Volkspolizei auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs.

Eine bundesdeutsche Armee spielt in der Westpolitik von Kanzler Adenauer eine entscheidende Rolle. Als die westeuropäischen Staaten über einen Verteidigungspakt beraten, gerät auch die Diskussion um die Bundeswehr ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Die Gegner der neuen deutschen Soldaten sammeln sich in Frankfurt. Vor allem Sozialdemokraten und Gewerkschafter verabschieden in der Paulskirche das "Deutsche Manifest": "Sieht man denn wirklich nicht, dass die dominierende Weltanschauung bei uns aus den drei Sätzen besteht: Viel verdienen, Soldaten, die das verteidigen, und Kirchen, die beides segnen. Unsere Brüder und Schwestern drüben haben aber den Krieg nicht allein verloren. Wer militärische Blockbildung betreibt, kann die Wiedervereinigung dabei wohlfällig im Munde führen, aber er verhindert sie zugleich."

Diesen Bedenken entgegnet damals Franz-Josef Strauß im Bundestag: "Wir sagen den deutschen Brüdern im Osten nicht ein Lebewohl mit den Entscheidungen, die wir getroffen haben. Wir wollen aber mit ihnen auch kein Wiedersehen jenseits des Eisernen Vorhanges für uns haben."

Für die Bundesregierung läuft alles wie geplant. Mit dem Beitritt zur NATO entsteht im Mai 1955 ein westliches Verteidigungsbündnis. Am 12. November treten 100 Freiwillige als erste Soldaten der Bundeswehr an.

Die neuen deutschen Stahlhelmträger sollen nicht mit den Soldaten der Wehrmacht verbunden werden. Der damals erste Verteidigungsminister Theodor Blank erläutert seine Philosophie von der Bundeswehr wie folgt: "Wir wollen Streitkräfte in der Demokratie, die sich dem Vorrang der Politik beugen. Sie sollen die Grundlagen des Rechtsstaates achten, die staatsbürgerlichen Grundrechte und Grundpflichten ernst nehmen und die Würde des Menschen anerkennen. Sie sollen bereit sein zur Verteidigung gegen jeden, der den Frieden bricht."

Die erste Schlacht im Kalten Krieg lässt nicht lange auf sich warten. Im DDR-Fernsehen gibt sich Ideologe Karl Eduard von Schnitzler empört: "Es gibt nicht eine einzige Drohung des Ostens gegen den Westen. Kein Sowjetbürger hat je nach den Alpen verlangt, kein Chinese nach San Francisco und kein Bürger der DDR nach dem Siebengebirge. Wohl aber wollte Herr Hallstein zum Ural, Herr Rockefeller zu den rumänischen Ölfeldern und einige wild gewordene amerikanische Generale nach Moskau und möglichst noch weiter. Es gibt keinen Drang nach dem Westen, sondern nur einen Drang nach dem Osten. Das ist schon historisch."

Auch die DDR lässt nun Taten folgen. Am 1. März 1956 treten die ersten Soldaten der Nationalen Volksarmee vor Verteidigungsminister Willi Stoph an: "Genosse Generaloberst! Ich melde Ihnen das erste mechanische Regiment der ersten mechanischen Division ist zum Appell angetreten und zur Übergabe der Fahne."

Autor: Gábor Halász
   
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