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27.5.1959: Berlin-Ultimatum läuft ab |
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Herbst 1957 - der frühere US-amerikanische Botschafter in Moskau, George F. Kennan, warnt in einem Vortrag: "Wir möchten immer gerne das Problem Berlin vergessen, solange es dort keine Schwierigkeiten gibt, und hoffen, dass sich alles dort schon irgendwie von selbst klären wird."
Ein Jahre später ist es dann so weit: Die ersten unüberhörbaren Anzeichen einer beginnenden Kraftprobe lassen sich einer Wahlrede Walter Ulbrichts entnehmen, in der es heißt: "Ganz Berlin liegt auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik. Ganz Berlin gehört zum Hoheitsbereich der Deutschen Demokratischen Republik!"
Der westdeutsche und auch der alliierte Berlinverkehr einschließlich der Luftverbindungen fallen nach Ulbrichts Auffassung in die Zuständigkeit der DDR. Eine Rede des sowjetischen Partei- und Regierungschefs Nikita Chruschtschow am 10. November 1958 im Moskauer Sportpalast ist auf dieselbe Tonart abgestimmt. Auch er behauptet, die Rechte der Westmächte, in Berlin zu bleiben, seien hinfällig.
Kräftegewicht in der Weltarena
Beunruhigend an Chruschtschows Ausführungen scheint allerdings nicht nur die Ankündigung, die Sowjetunion werde der souveränen DDR jene Funktionen in Berlin übergeben, die die sowjetischen Organe noch innehätten. Stärker noch irritiert das Gefühl der Überlegenheit, das in diesen vagen Ankündigungen zum Ausdruck kommt. Chruschtschow meint nämlich, der Sozialismus habe jetzt ein "Kräfteübergewicht in der Weltarena".
Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von Berlin, bringt die Absichten der Sowjets und der Machthaber in Ostberlin auf den Punkt: "Das eigentliche Ziel ist, ganz Berlin in die "Zone" einzugemeinden, so wie das vor zehn Jahren auf dem Wege über die Ostmark versucht worden ist. Alles sonstige Gerede kann davon nicht ablenken."
Die Berliner wollten nichts anderes als in Freiheit leben und arbeiten und ihr friedliches Aufbauwerk vollenden. Das freie Berlin gehöre zum freien Westen und werde sich nicht von seinen Freunden trennen lassen.
Das Ultimatum
Es kommt aber noch schlimmer. Am 27. November 1958 lässt Nikita Chruschtschow ein Ultimatum an die drei Westmächte überreichen. In gleich lautenden Noten an die Alliierten wird die Umwandlung Berlins in eine "selbständige politische Einheit" mit dem Status einer "entmilitarisierten Freien Stadt" gefordert.
Innerhalb eines halben Jahres müssten die Verhandlungen über Berlin zu einer Lösung führen, anderenfalls werde die Sowjetunion mit der Regierung der DDR eine Vereinbarung treffen, dass diese die ihr zustehenden Hoheitsrechte auszuüben habe. Dies gelte auch für die alliierten Militärtransporte.
In der Bundesrepublik reagiert die Öffentlichkeit besorgt, aber nicht panisch; die Westberliner haben offenbar gemischte Gefühle. Zeitzeugen von damals sagten: "Ich bin mir restlos klar darüber, wenn das hier schief geht irgendwie, dass ich abhaue" und "Krieg, daran denken wir überhaupt nicht hier in Berlin. Ich wohne seit 1918 in Berlin, und ich gehe hier auch nicht raus".
Verhandlungen zur Konfliktvermeidung
Die Teilnehmer der NATO-Ratstagung im Dezember 1958 lehnen die sowjetischen Forderungen entschieden ab. Chruschtschow legt nach und präsentiert im Januar 1959 den Entwurf eines Friedensvertrages. Daraus wird deutlich, dass es ihm auf eine totale Veränderung der Verhältnisse in Deutschland und das Hinausdrängen der Westmächte ankommt.
Von nun an zielt sowohl die Politik von Regierung und Opposition in Deutschland, als auch diejenige der Westmächte in zahlreichen Initiativen und Konferenzen darauf, die Sowjetunion zu Verhandlungen zu bewegen. Anfang Mai 1959 stimmt der sowjetische Außenminister Andrei Gromyko schließlich einer Konferenz der Außenminister zu.
Dieses Treffen in Genf verläuft zwar letzten Endes ergebnislos, weil der Kern der Verhandlungen, das Berlin-Problem, ungelöst bleibt. Der Erfolg dieser Bemühungen besteht jedoch darin, dass die Weltmächte am 27. Mai 1959, an dem Tag, an dem das sowjetische Ultimatum abläuft, am Verhandlungstisch sitzen. Ein kriegerischer Konflikt ist vermieden worden.
Autor: Otto Busch |
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