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10.9.1988: Steffi Graf gewinnt Grand Slam |
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Zwei Daten kennzeichnen im besonderen Maß den deutschen Tennisboom und die deutsche Vorrangstellung im Welttennis in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre. Das ist zum einen natürlich der 7. Juli 1985 mit dem ersten Wimbledonsieg von Boris Becker, zum anderen eben der 10. September 1988.
An diesem Tag erfüllte sich Steffi Graf mit gerade einmal 19 Jahren den Wunschtraum aller Tennisspieler. Sie schaffte den Grand Slam, das heißt, sie hatte die vier größten Tennisturniere innerhalb eines Kalenderjahres gewonnen.
Es war nicht nur die Tatsache, dass, sondern auch die Art und Weise wie sie diesen Grand Slam schaffte, die für Aufsehen sorgte. Als die Spieler im Januar 1988 zu den Australian Open kamen, hatte Steffi Graf gerade einmal einen Sieg bei einem Grand Slam Turnier auf ihrem Konto - 1987 gewann sie erstmals in Paris. Seit August 1987 war sie die Nummer Eins der Welt und somit auch Favoritin in Melbourne - wo sie auch glatt durchmarschierte.
Der zweite Sieg in Paris war für die Experten nicht unbedingt eine Überraschung, der Verlauf des Endspiels aber eine Sensation. Auf dem bekanntermaßen langsamsten Belag benötigte sie gerade einmal die Weltrekordzeit von 33 Minuten, um die Weißrussin Natascha Zvereva 6:0 und 6:0 abzufertigen.
Den entscheidenden Sieg auf dem Weg zum Grand Slam aber feierte Steffi Graf in Wimbledon: "Nach einer Stunde 33 Minuten Matchball Steffi Graf. Jetzt schlägt Martina auf von der linken Seite, und dann mit einem Netzroller gewinnt Steffi Graf, reißt die Arme hoch, shake hands der beiden, die 16.000 Zuschauer erheben sich."
Vor Wimbledon hatte kaum jemand Steffi Graf zugetraut, dass sie auch auf Rasen würde brillieren können - schon gar nicht gegen Martina Navratilova, die unbestritten beste Spielerin auf jenem Belag. Doch das 5:7, 6:2 und 6:1 im Finale sprach eine deutliche Sprache und brachte Steffi Graf als erster Deutschen seit Cilly Aussem 1931 den Sieg beim prestigeträchtigsten Tennisturnier der Welt.
Nach diesem Erfolg war die einhellige Meinung schon: "Steffi wird diese Turniere gewinnen, solange sie will!", und für die Beobachter war der Grand Slam nur noch Formsache.
Das war er dann auch, selbst wenn Gabriela Sabatini Steffi Graf im Finale der US Open beim 6:3, 3:6 und 6:1 einen Satz abnahm. Die Argentinierin war übrigens die einzige Spielerin, die Steffi Graf 1988 überhaupt schlagen konnte.
Damit hatte Steffi Graf als erste Deutsche und als dritte Spielerin der Welt nach Maureen Connolly 1953 und Magret Court-Smith 1970 den Grand Slam geschafft - und das mit ihrem erst fünften Erfolg bei Grand Slam Turnieren. Martina Navratilova hatte in ihrer Karriere zwar schon einmal sechs Grand Slam Turniere hintereinander gewonnen, aber eben nie vier in einem Jahr.
Das alles reichte Steffi Graf freilich noch nicht, sie vergoldete den Grand Slam in Seoul: "Wir haben, ja vielleicht einen geschichtlichen Moment vor uns hier, denn Steffi Graf hat nach 81 Minuten bei 6:3, 5:3 und Aufschlag Sabatini 15:40 zwei Mal Matchball. Einen Punkt braucht Steffi noch. Zweiter Aufschlag jetzt, und der kommt auf die Vorhand von Steffi, die spielt einen wuchtigen Vorhand-Return, das Spiel ist vorbei. Steffi Graf gewinnt 6:3 und 6:3. Sie gewinnt nicht nur dieses Spiel, sie gewinnt auch Olympisches Gold mit diesem Erfolg im Finale über Gabriela Sabatini. Es ist das Jahr der Steffi Graf."
Es war definitiv Steffi Grafs Jahr. Aus dem Grand Slam war ein Golden Slam geworden - den Begriff hatten Journalisten übrigens schon geprägt, bevor das Finale überhaupt begonnen hatte.
Quasi mit einem goldenen Schlag war Steffi Graf bereits mit 19 Jahren im Tennishimmel angelangt, zu einem Zeitpunkt also, an dem der größte Teil ihrer Karriere noch vor ihr lag und sie weder taktisch noch spielerisch völlig ausgereift war. Sie schaffte den Triumph mit den Tugenden, die in ihrer gesamten Laufbahn die Grundlage für ihre Erfolge sein sollten, mit Ehrgeiz, Kampfkraft, unbedingtem Siegeswillen, nimmermüder Arbeitsbereitschaft, Schnelligkeit, absoluter körperlicher Fitness und natürlich mit ihrer gefürchteten Vorhand.
1988 wurden Steffi Grafs Erfolge natürlich gefeiert und anerkannt, aber sie schaffte es lange nicht, einen Platz in den Herzen der Menschen zu finden, wie dies Boris Becker gelungen war. Dafür ließ die lange verschlossene Steffi die Fans zu wenig an ihren Triumphen teilhaben.
Zum Ende ihrer Karriere, nach 22 Grand Slam Siegen, insgesamt 107 Turniererfolgen und 377 Wochen als Nummer Eins, nachdem sie mehr als 70 Verletzungen und Krankheiten sowie Problem im privaten Umfeld überwunden und zahlreiche Comebacks geschafft hat, erfährt die offener gewordene Steffi Graf die Zuneigung und Anerkennung, die sie schon 1988 verdient gehabt hätte.
Autor: Wolfgang van Kann |
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