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4.6.1989: Blutbad in Peking
Es war eine warme Sommernacht, als die Panzer auf den Platz des Himmlischen Friedens im Zentrum von Peking vorrückten. Gegen 3.30 Uhr war der Platz von Einheiten der Volksbefreiungsarmee umstellt. Eine halbe Stunde später wurden die Lichter abgestellt. Die 27. Armee, genannt die Harten Knochen, begann ihr blutiges Werk.

Ihre 40.000 Soldaten waren aus dem Norden Chinas herbeigerufen worden, nachdem die in Peking stationierte 38. Armee sich geweigert hatte, den Angriffsbefehl zu vollstrecken und die Demokratiebewegung auf dem Tienanmen-Platz niederzuschlagen. Die Soldaten aus der Inneren Mongolei mit ihren Vietnamerfahrenen Offizieren, kannten solche Skrupel nicht.

Mit ihren Schützenpanzern walzten sie wehrlose Demonstranten nieder und schossen auf alles, was sich bewegte. Sie richteten ein beispielloses Blutbad an. Niemand weiß, wieviele Menschen in dieser Nacht umkamen. Augenzeugen schätzten die Zahl auf zwischen 2000 und 3000 Todesopfer und Tausende von Verletzten.

Auch Studenten, die versuchten, den Tienanmen-Platz zu räumen, wurden getötet. Eine Deutsche, die das Land überstürzt verlassen hatte, berichtete im Deutschen Fernsehen über die Greuel: "Es laufen Studenten mit schwarzem Trauerflor und weißen Chrysanthemen auf der Straße rum. Sie wollten in der Universität eine Trauerfeier abhalten. Es waren 500 Studenten, und das Militär hat alle 500 Studenten umgemäht."

Die Proteste der Studenten hatten sechs Wochen vorher, nach dem Tod des früheren Parteichefs Hu Yaobang, begonnen. Am 18. April marschierten Tausende Pekinger Studenten in Richtung Tienanmen Platz, wo sie sich für ein Sit-In vor der Großen Halle des Volkes versammelten. Sie verlangten die Demokratisierung der Kommunistischen Partei und die Bekämpfung der Korruption.

Am 26. April veröffentlichte die von der Pekinger Führung kontrollierte Tageszeitung Renmin Ribao einen Leitartikel, in dem die Proteste der Studenten scharf verurteilt und Gegenmaßnahmen angekündigt wurden. Unbeeindruckt von diesen Drohungen marschierten am Tag darauf weitere Tausende von Studenten aus 40 Universitäten in einem langen Protestzug zum Platz des Himmlischen Friedens. Wenig später gesellten sich zum ersten Mal auch Journalisten zu den Demonstranten und forderten Pressefreiheit.

In den ersten Maitagen des Jahres 1989 wurde die Spaltung in der chinesischen Führung immer offenkundiger. Parteichef Zhao Ziyang zeigte Verständnis für die Forderungen der Studenten, während Ministerpräsident Li Peng und der greise Deng Xiaoping eine harte Linie vertraten.

Am 13. Mai begannen die Studenten einen Hungerstreik. Einige von ihnen verweigerten die Aufnahme von Wasser. Doch Li Peng lehnte alle ihre Forderungen ab. Am 20. Mai verhängte er das Kriegsrecht. Kurz darauf wurde Zhao Ziyang seiner Ämter enthoben, die Hardliner hatten sich durchgesetzt.

Auch unter den Studenten taten sich nun Differenzen auf. Die Autonome Vereinigung Pekinger Studenten plädierte dafür, die Demonstrationen zu beenden. Doch auch hier setzten sich die Radikalen durch. Am 29. Mai errichteten Kunststudenten eine aus Schaumstoff gefertigte zehn Meter hohe Statue, die Göttin der Demokratie mitten auf dem Platz des Himmlischen Friedens.

Nur wenige Tage später, in der Nacht vom 4. auf den 5. Juni, wurde sie von den Panzern der 27. Armee überrollt. Ein Hörfunkreporter beschrieb die Lage in Chinas Hauptstadt am Tag nach dem Blutbad: "Durch die Straßen rollen drohend Einheiten von gepanzerten Fahrzeugen, aber die Menschen an den Kreuzungen entfernen sich höchstens eine kurze Weile von ihren Straßensperren, obwohl sie damit rechnen müssen, dass Soldaten, die auf offenen LKWs ihre Maschinenpistolen durch die Straßen kurven, auch wirklich schießen. Immer wieder hört man Schüsse. Die Krankenhäuser melden, sie könnten niemanden mehr aufnehmen, selbst die Gänge seien überfüllt."

Doch der von vielen befürchtete Bürgerkrieg blieb aus. Die Demokratiebewegung wurde im Blut ertränkt, die rebellischen Medien wieder auf Kurs gebracht. Die einzigen, die der chinesischen Führung applaudierten, waren die Machthaber in Ostberlin. In Peking, so der stellvertretende Staatsratsvorsitzende Egon Krenz damals, in Peking sei die Ordnung wieder hergestellt worden.

Autorin: Bettina Marx
   
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