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3.6.1952: Das Bundesarchiv in Koblenz
Die nackten Zahlen beeindrucken wahrscheinlich am meisten. 250 Kilometer Schriftgut stapeln sich in den Regalen des Bundesarchivs, das entspricht ungefähr der Entfernung zwischen Köln und Amsterdam. Gut ein Fünftel der Dokumente werden in der Zentrale des Bundesarchivs in Koblenz aufbewahrt. Bei einer solchen Fülle an Material ist rationelles Arbeiten für die Koblenzer Archivare unerlässlich.

Als es am 3. Juni 1952 losging, stellte sich das Problem aufbewahren oder aussortieren überhaupt nicht. "Ein gut organisiertes Archiv ohne Archivalien", spotteten zeitgenössische Blätter. Folgerichtig kam das Bundesarchiv mit sieben Mitarbeitern aus. Inzwischen sind es rund 300 in Koblenz und ungefähr 600 in den Außenstellen in Deutschland.

Dass die ersten Archivare ihren Arbeitsplatz in Koblenz hatten, hat nichts damit zu tun, dass die Stadt an Mosel und Rhein für die Beherbergung des Bundesarchivs besonders prädestiniert gewesen wäre. Es war eher eine Art Trostpflaster. Nachdem die rheinland-pfälzische Landesregierung nach Mainz umgezogen war, brauchte man für Koblenz eine neue Aufgabe. Da bot sich das Bundesarchiv an. Sein erstes Domizil war alles andere als repräsentativ. Nur sechs Wochen nach dem Startschuss klagte der damalige Archivdirektor Georg Winter im "Bulletin" der Bundesregierung:

Georg Winter: "Es war nicht zu erreichen, dass das Bundesarchiv eine geeignete Unterkunft in Bonn oder doch in der Nachbarschaft des Sitzes der Bundesministerien erhielt. Auch die örtliche Gemeinschaft mit einer Universität und einer großen wissenschaftlichen Bibliothek ließ sich nicht herstellen. Die jetzige Unterbringung in Koblenz würde kaum einer Überprüfung unter archivfachlichen Gesichtspunkten standhalten."

War das Bundesarchiv also ein Stiefkind der Bundesregierung? Hatte sie in der entscheidenden Sitzung vom März 1950 den Beschluss über die Gründung des Archivs "lieblos" gefasst, wie zeitgenössische Berichte nahe legen? Davon will man beim Bundesarchiv nichts wissen. Klaus Oldenhage, der Leiter der Grundsatzabteilung, sprach von einer Pioniertat, für die die Enkel und Urenkel der Gründergeneration dankbar sein müssten.

Klaus Oldenhage: "Damals stand nicht nur das Bundesarchiv, sondern die gesamte Bundesverwaltung auf dem Boden des Provisorischen. Wenn man 1949 vorausgesagt hätte, dass Bonn etwa 50 Jahre lang Hauptstadt bleiben würde, de facto, das hätte niemand für möglich gehalten."

Aufgabe des Bundesarchivs war vom ersten Tag an, den Wandel in Deutschland anhand der Akten der Bundesregierung zu dokumentieren. Sie sammeln, ordnen und der wissenschaftlichen Verwertung zugänglich machen, so hieß das in der offiziellen Sprache. Wobei für die Akten eine Sperrfrist von dreißig Jahren gilt - mit Ausnahme jener Unterlagen, die aus dem nationalsozialistischen Deutschland stammen beziehungsweise aus der ehemaligen DDR.

Klaus Oldenhage: "Ich kann sehr präzise formulieren, dass der Gesetzgeber die 30-Jahres-Frist bei den Unterlagen der Parteien und Massenorganisationen der DDR, die auch im Bundesarchiv liegen, förmlich aufgehoben hat. Ich kann weiter erklären, dass die 30-Jahres-Frist für Akten staatlicher Herkunft aus der DDR fast wie selbstverständlich aufgehoben wird. Eine Sperrfrist für Unterlagen aus der Nazi-Zeit hat es niemals gegeben."

Seit 1986 sitzt das Bundesarchiv in einem Neubau auf der Koblenzer Karthause, nur wenige Bushaltestellen vom Hauptbahnhof entfernt. Von der deutschen Wiedervereinigung hat es stark profitiert. Nach mehr als 40 Jahren konnten endlich Bestände zusammengeführt werden, die durch den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Teilung auseinander gerissen worden waren.

Klaus Oldenhage: "Und wir haben das sehr vernünftig insoweit gemacht, als der kleinere Teil der Reichsbestände aus Koblenz nach Potsdam beziehungsweise heute Berlin gebracht worden sind und nicht etwa umgekehrt die im Osten vorhandenen Bestände in den Westen gebracht wurden."

Neben seiner Koblenzer Zentrale unterhält das Bundesarchiv mehrere Außenstellen, darunter das Militärarchiv in Freiburg, das Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth und das Filmarchiv in Berlin. Durch ein Gesetz von 1987 ist die Nutzung des Bundesarchivs geregelt. Demnach steht es jedem Bürger zu amtlichen, wissenschaftlichen und publizistischen Zwecken offen. Für die Nutzung genügt ein kurzer Antrag mit Begründung, warum man sich gerade für dieses oder jenes Thema interessiert.

Autor: Ernst Meinhardt
   
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