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25.5.1987: Volkszählung |
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"Zählen ist Ehrensache"
"Vertrauen zählt - jeder tut es"
So und ähnlich hatte die Bundesregierung für die Volkszählung geworben und dabei die Kosten für eine groß angelegte Werbekampagne nicht gescheut. Tausende Zähler waren wochenlang ausgeschwärmt, 25 Mio. Haushalte wurden von ihnen bis zum 25. Mai 1987 mit Fragebögen versorgt, umgerechnet eine halbe Milliarde Euro kostete schließlich das ganze Unternehmen.
Von A wie Arbeitsmarkt bis W wie Wohnungspolitik
Aufschluss erhoffte sich die Regierung über alles, was ihre künftigen Planungen erleichtern könnte, von A wie Arbeitsmarkt bis W wie Wohnungspolitik. Und so fragte man nach Alter, Ausbildung, beruflicher Tätigkeit, nach dem Weg zur Arbeit, der Größe der Wohnungen und den Familien- und Lebensverhältnissen.
Wie nur wenige andere Vorhaben in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Volkszählung damals die Stimmung gereizt und Misstrauen geschürt: Daten könnten zweckentfremdet und den Sicherheitsbehörden - etwa für Fahndungsmaßnahmen - zur Verfügung gestellt werden, der gläserne Bürger sei staatlicher Sammelwut und behördlicher Willkür schutzlos preisgegeben, findige Informatiker könnten die anonymisierten Angaben wieder entschlüsseln - so und ähnlich lauteten die Befürchtungen.
Geteilte Meinung
"Ich finde das nicht gut, dass man so viele Daten angeben muss. Was man auf dem Bogen sieht, ist ein bisschen viel, was man da angeben muss."
"Sie könnten sich die Daten ja auch vom Wohnungsamt oder sonstwoher holen, da braucht man doch keine Volkszählung für."
"Ich habe mir noch nie in meinem Leben etwas zuschulden kommen lassen und bin auch für die Volkszählung. Ich finde das ganz praktisch, weil man ja die Computer bedienen muss."
"Was gehen die denn unsere Daten an, die sind doch sowieso gespeichert. Was soll ich die denn noch mal geben, damit die auf dem neuesten Stand sind oder was? Nee, nee."
Skepsis, Bedenken und Drohungen
Bürgerrechtsgruppen riefen zum Boykott der Volkszählung auf, Datenschützer und Strafverteidiger äußerten ihre Skepsis und die zu jener Zeit noch junge Partei der Grünen stellte sich an die Spitze der Bewegung. Christian Ströbele (Grüne), Bundestagsabgeordneter, glaubte nicht an die Gewissenhaftigkeit der ehrenamtlichen Helfer und rief damals im Parlament entrüstet aus: "Es ist keineswegs so, wie das in der Vorlage und dem Gesetz steht, dass der Bürger sicher sein kann, dass diese Geheimnisse gewahrt bleiben. 500.000 Zähler werden ausschwirren in alle Haushalte der Bundesrepublik, Beamte aus den Gemeinden, mit den Grunddaten aus den Melderegistern versehen, und werden dort Feststellungen treffen. Und sie werden nach einigen Wochen wieder zurückgehen in ihre Dienststellen, und dann sollen sie all das, was sie dort gehört haben, vergessen haben? Ich glaube das nicht!"
Markige Äußerungen des damaligen Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann (CSU) trugen auch nicht zur Beruhigung der Gemüter bei: Datenschutz sei Täterschutz, hatte er gesagt und erklärt, die Boykotteure wollten lediglich die staatliche Autorität untergraben. Er kündigte drakonische Strafen an, die Täter würde die volle Härte des Gesetzes treffen. Andere, wie etwa Zimmermanns Staatssekretär Franz Kroppenstedt, bemühten sich, die Befürchtungen zu dämpfen: "Es ist verboten, die Daten an die Verwaltungsbehörden weiterzugeben. Jeder Beamte und Angestellte würde sich einer Straftat schuldig machen."
Auch Egon Hölder, damals Direktor des Statistischen Bundesamtes, trat den Bedenken mit dem Hinweis auf das Bundesverfassungsgericht entgegen. Dieses habe festgestellt, dass die Auswertung der Volkszählung für Fahndungszwecke unterbleiben müsse: "Also eine solche dumpfe Furcht dürfte eigentlich nicht sein. Das Verfassungsgericht hat ja Regeln festgelegt, die in Verbindung mit dem, was in der Volkszählung geschehen ist, das völlig ausschließen."
Die Zählung nahm ihren Lauf
Es gab allerdings auch extreme Gruppierungen, die sich die Skepsis der Bürger für gesetzwidrige Aktionen zunutze machten. Zu peinlichen Behördenpannen, Schlamperei und Chaos auf der einen Seite kamen nicht nur makabre Scherze und massive Drohungen gegen die Zähler nach der Devise "Wer zählt wird gequält", sondern auch Überfälle militanter Volkszählungsgegner. Gleichwohl - beeinflussen konnten die Verweigerer den Gang der Dinge nicht, und auch der Staat wurde nicht aus den Angeln gehoben.
Dennoch unterliefen viele den Zensus auf ihre Weise: Zu tausenden fanden sich unausgefüllte Fragebögen bei Altpapiersammelstellen, und manch einer hat den Bogen heimlich still und leise in der eigenen Mülltonne entsorgt.
Autorin: Cornelia Rabitz |
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