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13.11.1943: Bernstein in der Carnegie Hall
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Ein Matinee-Konzert in der New Yorker Carnegie-Hall. Auf dem Programm europäische Romantik, es musizieren die New-Yorker Philharmoniker. Dirigieren soll ein berühmter Deutscher: Bruno Walter. Er erkrankt. Die Philharmoniker schicken nach ihrem Dirigier-Assistenten. Der 25-jährige springt kurzfristig ein und macht den ersten Schritt zur Weltkarriere: Leonard Bernstein: "Ich erinnere mich an nichts bis zum Ende des Konzerts. Die Leute schrieen, standen auf. Am nächsten Morgen stand die Geschichte auf der Titelseite der New York Times. Ich war berühmt."

"Eine amerikanische Erfolgsstory" schwärmen die Zeitungen. Leonard Bernstein erfüllt den "American Dream". Ein junger Amerikaner, in der Heimat erzogen und ausgebildet, bekommt die große Chance und nutzt sie. Über Nacht ist Leonard Bernstein der Liebling des Landes, sein Geheimnis sind seine Frische und Unbekümmertheit. Und die grenzenlose Sinnlichkeit, mit der er Musik präsentiert und die er auf das Orchester zu übertragen versteht.

Leonard Bernstein: "Es ist eine Liebes-Affäre. Man atmet gemeinsam, steigt gemeinsam auf und versinkt. Es ist eine Art sexuelles Erlebnis, aber mit einhundert Leuten!"

Leonard Bernstein entdeckt die Musik verhältnismäßig spät. Seinen ersten Klavierunterricht erhält er mit zehn Jahren, andere beginnen mit drei. An der Harvard University und am Curtis Institute studiert er Musiktheorie und sammelt erste Dirigiererfahrungen. "Tanglewood-Festival", das wesentliche Forum für klassische Musik in Amerika, wird auf die Begabung aus Massachusetts aufmerksam. Bevor er dem Ruf der New-Yorker Philharmoniker folgt, wird Bernstein Assistent des Orchesterleiters in "Tanglewood". Nebenher veröffentlicht er seine ersten kleineren Kompositionen. Bald wird Bernstein als Komponist genauso viel Ruhm ernten, wie als Dirigent.

Leonard Bernstein: "1949 rief mich Jerôme Robbins mit einer tollen Idee an. Eine Broadway-Show nach "Romeo und Julia". Es sollte um Bandenkriege gehen in den New-Yorker Slums."

Das Musical frei nach Shakespeare heißt "Die West-Side-Story". Ab der Premiere im September 1957 läuft es am Broadway mehrere Jahre lang vor ausverkauftem Haus. Auf der ganzen Welt gilt Leonard Bernstein jetzt als der größte Musical-Komponist der Gegenwart, dabei möchte er lieber als ernster Symphoniker verstanden werden. Seine Oper "Candide" erzählt eine Geschichte nach Voltaire. In symphonischen Kompositionen wie der Kaddish-Symphonie oder den Chichester-Psalms bearbeitet der Sohn jüdisch-russischer Eltern musikalisch und inhaltlich Motive jüdischer Tradition.

Leonard Bernstein ist Kosmopolit mit starker Verbindung zu Europa. Als erster Nicht-Europäer leitet er ab 1966 regelmäßig die Wiener Philharmoniker. Seine Auftritte machen Mitte der 1980er-Jahre das neugegründete Schleswig-Holstein-Musikfestival zum musikalischen Großereignis. Als Gastprofessor hält Bernstein Vorträge oft in der Sprache des Landes.

Leonard Bernstein: "Drei Gs und ein Es, sonst nichts. Ein Kinderspiel. Jedem konnte das einfallen. Vielleicht. Aber aus diesem Motiv ist der erste Satz einer großen Symphonie hervorgegangen. Ein Satz, so sparsam aufgebaut, dass fast jeder Takt aus diesen vier einleitenden Tönen entwickelt ist."

Die Mehrfachkarriere als Komponist, Pianist, Dirigent, Lehrer und Medienliebling kann den rastlosen Leonard Bernstein nie ganz zufrieden stellen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1990 leidet der Megastar unter der Angst, sich als ernsthafter Musiker nicht genug bewiesen zu haben. Wenige Augenblicke vor seinem Tod sagt der 72-jährige über sich selber: "Cut down in the prime of his youth - gefällt in der Blüte seiner Jugend."

Autorin: Catrin Möderler
   
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