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20.9.1985: Minister stürzt über Greenpeaceaffäre
Sawyer: "Sie hätten uns ja zehn Minuten vorher anrufen können. Sie haben sich absolut nicht darum gekümmert, ob jemand getötet würde, und wir hatten großes Glück, dass nur einer ums Leben kam. Es hätten viel mehr sein können."

Stephen Sawyer schlief in einem Hotelbett, als in der Julinacht das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior" im Hafen von Auckland Neuseeland unterging. Die Rainbow Warrior hing mit starker Schlagseite in den Tauen und war halb versunken. Im Schiffsrumpf, vom Wasser geflutet, ertrank der Greenpeaceaktivist und Fotograf Fernando Pereira. Es vergingen nur wenige Stunden, und es stand fest: Nicht etwa ein Unfall, sondern ein Sabotageakt sorgte für den Untergang mit tödlichen Folgen. Nur, wer steckte dahinter?

Einige Tage später wurden am nahegelegen Strand Schlauchboot und Taucherausrüstung gefunden. Geräte, wie sie die französische Armee benutzte. Der Verdacht, dass die Franzosen hinter der Sprengung standen, erhärtete sich. Ein Pärchen, das sich auffällig oft in der Nähe der Rainbow Warrior sehen ließ, wurde mit gefälschten Schweizer Pässen verhaftet. Wie sich wenig später herausstelle: Der Mann und die Frau arbeiteten für den französischen Geheimdienst. Welches Interesse sollte aber Paris an solch einem Terrorakt haben?

Schon seit Monaten stand fest, dass Greenpeace Aktionen im Gebiet der Mururoa-Atolle, dem französischen Atomtestgelände im Südpazifik, starten würden. Mit von der Partie sollte das Flaggschiff der Umweltorganisation sein, die Rainbow Warrior.

Der französische Geheimdienst meldete: Neben den üblichen Aktivisten seinen sogar polynesische Unabhängigkeitskämpfer und Kommunisten an Bord. Soweit durfte es nicht kommen. Die Sprengung der Rainbow Warrior im Hafen von Auckland war beschlossene Sache. Eine geheime Aktion, an der eine Hand voll französischer Agenten beteiligt war.

Obwohl die Indizien immer deutlicher in Richtung Paris zeigten, wiegelte der Elysée Palast ab. Dort sprach man unter anderem von Phantasieprodukten voller Lügen. Doch besonders die französischen Medien ließen nicht locker. Auch Neuseeland, das seit Jahren wegen der französischen Atomtests auf Mururoa argwöhnte, wollte Klarheiten haben. Halbherzig leitete Paris Ermittlungen ein, anderthalb Monate nach dem Terrorakt lagen die Ergebnisse vor. Neuseelands Premierminister David Lange hatte dafür nur Spott übrig.

Lange: "Es ist so durchsichtig, dass man nicht einmal sagen kann, er wasche alle rein. Er ignoriert Fakten, widerspricht sich an entscheidenden Stellen und ich glaube, man kann ruhigen Gewissens sagen, dass er der französischen Regierung noch sehr peinlich sein wird. Sie sitzen auf einer Zeitbombe, die jedem Moment hochgehen kann."

So war es dann auch. Immer intensiver wurde die Frage gestellt, wer überhaupt den Befehl für den Anschlag gab. Was war mit Verteidigungsminister Hernu? Der hatte bisher jegliche Verwicklung bestritten. Nur, die Indizien verdichteten sich, dass Hernu mindestens von der Aktion wusste, sie wahrscheinlich sogar befehligte. Der Regierung von Staatschef Mitterand stand das Wasser bis zum Hals, Premierminister Fabius musste deshalb handeln und entließ Verteidigungsminister Charles Hernu. Das war am 20. September 1985.

Premier Fabius ging noch weiter. Er gestand Frankreichs Beteiligung an dem Anschlag ein. Die Attentäter hingegen entschuldigte er vor versammelter Presse.

Fabius: "Es waren Agenten des französischen Geheimdienstes, die das Schiff gesprengt haben. Sie haben auf Befehl gehandelt. Man muss die ausführenden Organe aus der Sache heraushalten, denn wir können nicht akzeptieren, dass Soldaten bloßgestellt werden, die nur Befehlen gehorcht haben und in der Vergangenheit für unser Land sehr gefährliche Missionen ausgeführt haben."

Die Frage, die unbeantwortet blieb: Wer gab nun wirklich den Befehl? Steckte hinter dem Anschlag auf die Rainbow Warrior gar der Elysée Palast? Aus dem Verteidigungsministerium drang alsbald die Information, dass wesentliche Teile des Greenpeace Dossiers verschwunden seien. Erst Jahre später äußerten sich einige der Geheimnisträger von damals. Die Erkenntnis: Der Verteidigungsminister habe den Befehl gegeben, die Zustimmung sei von Staatspräsident Mitterand erteilt worden.

Autor: Oliver Ramme
   
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